Um zu wachsen, expandieren Unternehmen auf neue Märkte. Das ist nichts Neues – neu ist aber, dass Produkte und Dienstleistungen ebenso wie die Unternehmenskommunikation im Zeitalter der Personalisierung an die jeweiligen Zielgruppen anzupassen sind. Daher investieren international agierende Unternehmen aller Branchen in die Lokalisierung. Doch wie finden sie die passende Lokalisierungsstrategie und welche Vor- und Nachteile gilt es zu beachten?
Inhaltsverzeichnis:
» Der hohe Stellenwert der Personalisierung
» Die drei Lokalisierungsstrategien
» Welche Faktoren sind bei der Wahl der Lokalisierungsstrategie zu beachten?
Der hohe Stellenwert der Personalisierung
Ohne individuelle Ansprache interessieren sich User kaum für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Der Grund: Sie sind es längst gewohnt, so persönlich wie möglich umworben zu werden – laut Harvard Business Review setzen immerhin 47 % aller Unternehmen mit Kundenkontakt auf Personalisierungen. Dies beinhaltet personalisierte Produktangebote, Empfehlungen, Preisgestaltungen und sogar Webseiten, was sich schon heute merklich auf den Umsatz auswirkt. Denn: Die Kundenzentrierung trägt dazu bei, die Kundentreue und bindung zu stärken, was den entscheidenden Mehrwert einer Marke ausmachen kann.
Die drei Lokalisierungsstrategien
Zur Erschliessung neuer Märkte gibt es gemäss dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Nimdzi grundsätzlich die drei folgenden Lokalisierungsstrategien. Alle verfolgen das Ziel, ein konsistentes Kundenerlebnis zu erschaffen, das sich für Käufer auf dem jeweiligen Markt vertraut und angenehm anfühlt. Sehr oft orientiert sich die Lokalisierungsstrategie dabei an der Produkt- und Marketingstruktur des jeweiligen Unternehmens.
Zentrale Lokalisierungsstrategie
63,4 % der Anbieter internationaler Produkte oder Dienstleistungen verfolgen eine zentrale Lokalisierungsstrategie. Das bedeutet, dass eine zentrale Marketingeinheit die Verantwortung für die Entwicklung und Kommunikation sämtlicher internationaler Inhalte übernimmt. Diese Strategie eignet sich besonders für Unternehmen mit einem weltweit einheitlichen Markenimage sowie Produktportfolio.
» Maximale Kontrolle und Effizienz
Die Anpassung an ein weltweites Publikum erfolgt vom Hauptsitz aus. Das bringt eine hohe Skalierbarkeit mit sich und entschlackt die Prozesse, da nur ein einziges Übersetzungsbudget zu verwalten ist. Ausserdem vereinfacht diese Strategie die Kontrolle über ein einheitliches Branding in der Unternehmenskommunikation. Da alle Userdaten zentral verwaltet werden, ist es überdies einfacher, die Customer Journey kontinuierlich zu optimieren.
» Bürokratisch und unflexibel
Notwendige Anpassungen für lokale Märkte können untergehen, wenn sie am Hauptsitz als nicht essenziell oder nicht stimmig im Hinblick auf die allgemeine Corporate Identity erachtet werden. Doch verschiedene Geschäftsbereiche und Regionen unterliegen unterschiedlichen Marktbedingungen. Im Zeitalter der Personalisierung verfehlt eine zentralisierte Lokalisierung das Ziel, wenn sie lokale Bedürfnisse nicht beachtet.
Dezentrale Lokalisierungsstrategie
14,6 % der befragten Unternehmen haben eine dezentrale Lokalisierungsstrategie implementiert. Hier passen also die jeweiligen Teams vor Ort die Produkte und die Kommunikation an die kulturellen Besonderheiten in puncto Sprache, Kundenverhalten und soziale Normen an. Dieser Ansatz lohnt sich für ein vielfältiges Produktangebot, das speziell auf die einzelnen Ländermärkte zugeschnitten ist.
» Agil und reaktionsschnell
Lokale Geschäftseinheiten vermarkten Produkte, indem sie sich auf ihr Zielgebiet fokussieren – nicht auf die Muttergesellschaft oder Kernmarke. Das starke Bewusstsein der Bedürfnisse lokaler Kunden führt zu individuellen Kampagnen und einer Kommunikation, die sie optimal anspricht.
» Chaotisch und verschwenderisch
Dezentralisierte Lokalisierungsteams neigen dazu, ihr eigenes Ding zu machen. Dies führt zu unterschiedlichen Strategien und Kampagnen, was die Markenintegrität gefährdet, die Kosten in die Höhe treibt und Arbeitsabläufe verkompliziert. Nicht selten bringt diese Strategie somit die Verschwendung von personellen wie materiellen Ressourcen mit sich.
Verteilte Lokalisierungsstrategie
Rund 22 % der befragten Unternehmen fokussieren sich auf eine verteilte Lokalisierungsstrategie. Sie stellt eine Hybridlösung dar, die zentrale und dezentrale Optionen kombiniert: Die zentrale Lokalisierungsabteilung erstellt Initiativen und Inhalte, welche die lokalen Teams an ihre Märkte anpassen. Durch die Zusammenarbeit werden zentrale Ressourcen und lokales Wissen optimal genutzt, während der Hauptsitz die Kontrolle über alle Prozesse behält.
» Der hybride Mix
Bei der verteilten Lokalisierungsstrategie gestaltet das zentrale Team die Marke und erstellt E-Mails, Anzeigen oder Landingpages. Diese und weitere Assets werden dann dezentral an regionale Besonderheiten angepasst. Auf diese Weise erhalten die lokalen Teams professionelle, markengerechte Ressourcen, für die sie selbst möglicherweise kein Budget gehabt hätten. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass alle erhobenen Daten zentral gespeichert sind. Somit können Verantwortliche nicht nur die Leistung einzelner Teams, sondern auch den ROI von Kampagnen auf lokaler wie nationaler Ebene messen.
Welche Faktoren sind bei der Wahl der Lokalisierungsstrategie zu beachten?
Die passende Lokalisierungsstrategie für eine internationale Expansion wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Aus Erfahrung zählen die folgenden Faktoren zu den Wichtigsten:
Administration
Die administrativen Aufwände für Übersetzungen – wie Angebotsanfragen, Verhandlungen, Formatierungen, Umgang mit Beanstandungen oder Verrechnung – sind vielseitig und zeitintensiv. Bei einer dezentralen Lokalisierungsstrategie sind aufgrund der Sprachenvielfalt viele lokale Übersetzungspartner nötig, sodass sich die administrativen Aufwände erhöhen können. Vorteilhaft sind unter diesem Gesichtspunkt automatisierte Systemschnittstellen mit standardisierten Prozessen, welche die Administration weltweit vereinfachen.
Kommunikationsstil
Mit einem einheitlichen und einzigartigen Kommunikationsstil heben sich Unternehmen von der Konkurrenz ab und gewinnen das Interesse der Zielgruppen. Damit trotz vieler Zielsprachen ein einheitlicher Kommunikationsstil gelingt, müssen sämtliche Übersetzungspartner weltweit über die kommunikativen Anforderungen eines Unternehmens informiert sein. Bei einer eher geringen Zahl an Übersetzungspartnern ist es daher wahrscheinlicher, dass ein einheitlicher Kommunikationsstil eingehalten werden kann.
Fachlichkeit
Bei der Übersetzung fachlich anspruchsvoller Texte ist die korrekte Verwendung von Fachbegriffen in allen Zielsprachen essenziell. Um diese sicherzustellen, verwenden Übersetzungspartner technische Hilfsmittel wie Glossardatenbanken. Insbesondere bei einer dezentralen Lokalisierungsstrategie sind diese Hilfsmittel jedem lokalen Sprachdienstleister zugänglich zu machen. Sehr oft werden zudem spezialisierte Übersetzer mit einer fachspezifischen Zusatzausbildung benötigt. Es muss daher sichergestellt werden, dass das Übersetzungsmanagement sämtlicher Übersetzungspartner diese Anforderungen erfolgreich abdecken kann.
Informationssicherheit
Die zunehmende Cyberkriminalität zwingt Unternehmen zu zusätzlichen Investitionen in den Schutz der IT-Sicherheit. Da bei Übersetzungen sehr viele und teilweise streng geheime Informationen bearbeitet werden, müssen sämtliche Übersetzungspartner die Anforderungen an das Informationssicherheitsmanagement erfüllen. Sowohl bei zentralen als auch bei dezentralen Lokalisierungsstrategien müssen daher ausführliche Screenings der Übersetzungspartner erfolgen.
Lokale Sprachanforderungen
Eine professionelle lokale Kommunikation umfasst die Berücksichtigung von sprachlichen und kulturellen Besonderheiten. Eine Lokalisierungsstrategie, die diese nicht erkennt oder nur unzureichend berücksichtigt, hat erfahrungsgemäss keinen nachhaltigen Erfolg. Entscheidend ist der Einsatz der richtigen Sprachressourcen, welche die aktuellen lokalen Kommunikationsanforderungen umsetzen können. Ebenso werden eine professionelle Qualitätssicherung und ein nachhaltiges Qualitätsmanagement benötigt, um die Einhaltung der lokalen Sprachanforderungen unterstützen zu können.
Linguistische Zusammenarbeit
Bei regelmässigen Übersetzungen durch Übersetzungspartner kommt es immer wieder zu qualitätsbezogenen Diskussionen über stilistischen Feinschliff. Insbesondere die Optimierung von Glossar- und Satzdatenbanken sowie Styleguides erfordert eine intensive Zusammenarbeit, die durch ein gemeinsames linguistisches und kulturelles Verständnis erleichtert wird. Es ist darauf zu achten, dass die linguistische Zusammenarbeit bei der gewählten Lokalisierungsstrategie jederzeit sichergestellt ist.
Kostenmanagement
Professionelle Lokalisierungsstrategien werden für Preis- und Vertragsverhandlungen in der Regel durch professionelle Einkäufer unterstützt. Obwohl Übersetzungen nur einen begrenzten Spielraum für Skaleneffekte bieten, können bei grösseren Übersetzungsvolumina verschiedene Kostenvorteile verhandelt werden. Bei Lokalisierungsstrategien mit unzureichendem Beschaffungsmanagement sind die Übersetzungskosten sehr oft intransparent und sehr grosses Potenzial für Kostenoptimierungen bleibt ungenutzt.
Fokus
Sowohl bei zentralen als auch bei dezentralen Lokalisierungsstrategien muss definiert werden, welche Ressourcen die Lokalisierungsaktivitäten veranschlagen können. Aufgrund von Ressourcenknappheit kommt es immer wieder vor, dass die Lokalisierung als Zusatzverantwortung übertragen wird, womit der Fokus auf die eigentlichen Kernaufgaben reduziert wird. Eine erfolgreiche Lokalisierungsstrategie jedoch entlastet andere Abteilungen durch die gezielte Bündelung von Know-how, sodass sie sich weiterhin auf ihre Kernkompetenzen fokussieren können.
Fazit
Getreu dem Sprichwort «Viele Köche verderben den Brei» erscheint eine zentrale Lokalisierungsstrategie auf den ersten Blick als durchaus sinnvoll. Allerdings trifft ein einzelner Koch, also Sprachdienstleister, nicht zwingend den Geschmack aller Zielgruppen in den unterschiedlichsten Ländern. Bei einer dezentralen Lokalisierungsstrategie hingegen müssen mehrere Sprachdienstleister korrekt gemanagt werden, damit das Unternehmen erfolgreich international expandieren kann. Ob eine zentrale, dezentrale oder hybride Lokalisierungsstrategie verfolgt wird – jeder Ansatz ist unternehmensspezifisch zu wählen und muss sicherstellen, dass die regionalen Vorlieben mit der richtigen «Gewürzmischung» bedient werden.